Hunger, Unsicherheit und Konfliktintensität: Was uns der GHI und FIES‑Indikatoren über Kriegsrisiken verraten.
Der Zusammenhang zwischen Ernährungslage und Gewaltkonflikten ist empirisch schwer zu greifen. In dieser Analyse zeige ich, dass der Global Hunger Index (GHI) – als zusammengesetzter, eher struktureller Hungerindikator – schwach positiv mit der Konfliktintensität korreliert, während der FIES‑Indikator für moderate oder schwere Ernährungsunsicherheit in unserer Länderschnittmenge (38 Länder) keinen robusten Zusammenhang zeigt.
Es gibt eine schwach positive Beziehung zwischen strukturellem Hunger (GHI 2024) und der intensitätsgewichteten Konfliktsumme 2020–2024. Je höher der GHI, desto höher tendenziell die Konfliktintensität. Die Korrelation liegt in unseren Daten etwa bei r ≈ 0.3–0.35 und ist in einfachen Tests knapp signifikant. Der FIES‑Indikator, der wahrgenommene Ernährungsunsicherheit (3‑Jahres‑Durchschnitt) misst, zeigt hingegen keinen robusten Zusammenhang zur Konfliktintensität oder -häufigkeit.
Vorgehen.
Verknüpfung der Länderdaten aus zwei Quellen: Global Hunger Index 2024 und Konfliktdaten aus UCDP (Uppsala Conflict Data Program) für die Jahre 2020 bis 2024. Aus UCDP konstruiere ich eine „intensitätsgewichtete Konfliktsumme“, indem ich je Land und Jahr den höchsten Intensitätsgrad des Jahres aufnehme und über 2020–2024 aufsummiere. Zusätzlich wertete ich die Anzahl unterschiedlicher Konflikte je Land. Die Verknüpfung erfolgt über eine tolerante Namens‑Normalisierung.
Als ergänzenden Ernährungsindikator wurde den FIES‑Wert (Food Insecurity Experience Scale, OWID/FAO) für 2022 genutzt. FIES ist ein 3‑Jahres‑Mittel auf Basis von Umfrageerfahrungen, also kurzfristiger und „gefühlter“ Nahrungsunsicherheit, während GHI strukturbetonter ist (Kinderernährung, Unterernährung, Kindersterblichkeit etc.).
GHI‑Grafik
FIES Grafiken
Ergebnisse.
Die GHI‑Grafik zeigt die positive Tendenz klarer als FIES. In einfachen Pearson‑Korrelationen liegt der Zusammenhang zwischen GHI 2024 und der intensitätsgewichteten Konfliktsumme. Die Länder mit sehr hohen GHI‑Werten (z. B. Somalia, Jemen, Äthiopien) liegen zugleich am oberen Rand der Konfliktintensität. Bei FIES bleibt die Regressionslinie weitgehend flach; weder mit der Intensitätsmetrik noch mit der Konflikthäufigkeit ist ein stabiler Zusammenhang zu erkennen, auch nicht nach Ausschluss großer zwischenstaatlicher Kriege (Russland, Ukraine, Israel) oder bei Log‑Transformationen.
Warum unterscheiden sich GHI und FIES?
Der GHI bündelt strukturelle Dimensionen der Mangelernährung und Kindergesundheit, die enger mit langfristigen Entwicklungs‑ und Staatskapazitätsproblemen zusammenhängen – genau jenen Faktoren, die mit erhöhten Konfliktrisiken assoziiert sind. FIES dagegen ist stark geglättet und bildet kurzfristige Schocks (Preissprünge, Binnenvertreibung) weniger trennscharf ab.
Die Befunde sprechen dafür, Hunger als strukturelles Entwicklungsproblem ernst zu nehmen, wenn es um Konfliktprävention geht. Der GHI erfasst Dimensionen, die tief in staatliche Leistungsfähigkeit, Gesundheitsversorgung und Nahrungsmittelsysteme hineinreichen. Genau hier können präventive Politiken ansetzen: Stärkung von Basisgesundheit, Ernährungssicherung, resilienten Lieferketten und sozialer Sicherung. FIES ist als begleitender Monitoring‑Indikator nützlich, aber für die Erklärung länderübergreifender Konfliktunterschiede offenbar weniger geeignet.
Grenzen der Analyse.
Die Korrelationen sind klein bis moderat und teils knapp signifikant. In dieser Analyse benutzte ich eine relativ kurze Konfliktperiode (2020–2024) und eine einfache Aggregation der Intensität. Unbeobachtete Variablen (z. B. Governance‑Qualität, BIP/Kopf, Ungleichheit, Klimarisiken) können sowohl Hunger als auch Konflikt beeinflussen. Die Ergebnisse sind daher als Hinweis, nicht als kausaler Beweis zu lesen.
Quellen:
Global Hunger Index (GHI) 2024
Food Insecurity Experience Scale (FIES)
UCDP – Konfliktdaten (2020–2024)
UCDP – Kampfbedingte Todesfälle