Tschechien hat 2025 gewählt: Rechtsruck bestätigt – aber mit tschechischen Besonderheiten

Analyse:

  • ANO von Andrej Babiš gewinnt klar mit rund 35 % und 80 Sitzen, wird aber ohne Partner nicht regieren können. Quellen: PolitPro, ZDF.

  • Der potenzielle Koalitionspfad nach rechts ist real, aber kompliziert: Die offen europaskeptische SPD von Tomio Okamura kommt nur auf etwa 8%/15 Sitze; „Motoristen/Auto“ ca. 7%/13 Sitze. Eine Mehrheit erforderte einen zusätzlichen Partner oder eine Minderheitsregierung.

  • Im EU-Vergleich setzt sich der Trend fort: Rechte bis rechtspopulistische Parteien gewinnen Wahlen oder werden stärkste Kraft. Die „Steigungsrate“ ist jedoch länderspezifisch und abhängig von Kosten-/Sicherheitsagenda und Anti-Establishment-Stimmung.

Kernergebnisse aus den verlinkten Quellen

  • PolitPro: offizielles Wahlergebnis-Panel 2025 und Sitzverteilung. ANO 34,5 % (+7,4 ggü. 2021), SPOLU 23,4 % (-4,4), STAN 11,2 %, Piráti 9,0 %, SPD 7,8 % (-1,8), Auto 6,8 %. Mehrheit ab 101 Sitzen. PolitPro – Tschechien

  • ZDF: Babiš' Sieg, aber keine Mehrheit; Er wird die Minderheitsregierung prüfen. SPD als möglicher „Königsmacher“, Forderungen: Referenden über EU/NATO-Austritt, Rückführung ukrainischer Flüchtlinge. ANO wechselte auf EU-Ebene von Renew zu „Patrioten für Europa“ (Orbán/FPÖ/RN). ZDFheute

Warum hat ANO gewonnen?

  • Kosten- und Alltagsagenda: nach Inflationsschock 2023 verspricht ANO „niedrigere Steuern, billigere Energie“. Ökonomische Sicherheit schlägt Werteargumente.

  • Anti-Establishment-Faktor: Müdigkeit gegenüber Fialas SPOLU-Koalition nach Konsolidierungs- und Ukraine-Unterstützungskurs.

  • Positionierung „hart, aber nicht radikal“: Babiš signalisierte innenpolitische Härte (gegen „Brüssel“, gegen Ukraine-Hilfen), distanzierte sich gleichzeitig von extremen „Raus aus EU/NATO“-Forderungen – das erweiterte Koalitionsoptionen.

Koalitionsmathematik 2025

  • Realistische Wege zu 101 Sitzen:

    • ANO + SPOLU: arithmetisch stabil (132 Sitze), politisch heikel (Wettbewerber, starkes Misstrauen).

    • ANO + STAN: knappe Mehrheit (102). Politisch trotzdem schwierig.

    • ANO + SPD + Auto: 108 Sitze, aber hoher Preis (EU/NATO-Linie, Ukraine-Politik, Green Deal).

    • Minderheitsregierung ANO mit projektbezogener Duldung durch wechselnden Partner: wahrscheinlichster kurzfristiger Pfad laut ZDF.

  • Präsident Petr Pavel besitzt Spielraum bei der Ernennung, doch erhält üblicherweise die stärkste Fraktion den ersten Regierungsauftrag.

Europäischer Vergleich: Trend ja – Automatismus nein

  • Trend: In mehreren EU-Ländern gewannen zuletzt rechte/rechtspopulistische Kräfte Wahlen oder führen klar in Umfragen (Ungarn: Fidesz; Italien: FdI; Niederlande: PVV; Österreich: FPÖ; Frankreich: RN stark; Slowakei: Smer/Republika-Umfeld). Babiš' ANO reiht sich mit Wechsel zu „Patrioten für Europa“ in diesem Lager ein.

  • Aber: Heterogenität bleibt groß.

    • Die Programmatik variiert (euroskeptisch vs. eurokritisch, pro-NATO vs. neutral/anti).

    • Regierungsfähigkeit wird oft durch Koalitionslogik begrenzt; Minderheits- oder Technokratenmodelle sind weit verbreitet.

    • Wählerbasis reagierte primär auf Kosten-/Migration-/Sicherheitsframes, weniger auf klassische Links/Rechts-Ideologie.

Was bedeutet das für EU und Ukraine-Politik?

  • In Prag wahrscheinlich: weniger Enthusiasmus für Waffenhilfe, härterer Ton gegenüber Brüssel (Green Deal, Fiskalfragen, Migration). Totale Blockade ist aber nicht gesetzt, wenn Babiš Minderheitskurs fährt und EU/NATO-Austrittstöne meidet.

  • In der EU: weiterer Ausbau des „Patriots for Europe“-Blocks stärkt Vetomacht in Umwelt-, Migrations- und Russland-Sanktionsdossiers, erhöht Koordinationskosten im Rat und im Parlament.

Treiber hinter dem Rechtsmomentum (Tschechien und EU-weit)

  • Teuerung/realer Wohlstandsverlust 2022–2024.

  • Energiepreise und Green-Deal-Folgekosten als Mobilisierungshebel.

  • Ukraine-Krieg: Ermüdung, Skepsis gegenüber langfristiger Unterstützung.

  • Migration: Kapazitäten kommunal, Sicherheitswahrnehmung, „Steuerbarkeit“.

  • Vertrauensverlust in etablierten Parteien/Institutionen.

Was jetzt beobachten?

  • Koalitionsbildungsprozess: ob ANO auf Minderheitsmodell mit situativen Partnern setzt.

  • Programmprüfung: Haushaltskurs, Energiepreise, Ukraine-Hilfe, Migrationspolitik.

  • EU-Positionierung: ob Prag zukünftig künftig mit Budapest/Bratislava/Wien stimmt.

  • Kommunale Ebene: ob Kosten- und Kapazitätsdruck entlastet wird (entscheidend für mittelfristige Zustimmung).

Fazit

  • Ja, die Wahl 2025 in Tschechien passt in den europäischen Trend einer stärker rechten bzw. europaskeptische Stimmkraft.

  • Nein, daraus folgt nicht automatisch ein „CZexit“-Kurs: Die tschechische Parteienarithmetik und Babiš' pragmatischer Regierungsstil sprechen eher für einen harten, aber selektiven Kurs gegenüber Brüssel – mit innenpolitisch fokusierter Kostenagenda.

Previous
Previous

Rechtsdruck in Europa – Die Niederlande als nächster Prüfstein?

Next
Next

„Germany & Austria: Migration, Crime, Populism (2013–2024)